Ein Spaziergang

Ich liebe es spazieren zu gehen. Und ich finde es immer ganz besonders schön, wenn wir als ganze Familie einen Spaziergang machen. Das kommt selten vor, weil man dafür erstens viel Zeit einplanen muss (und Zeit ist bei uns leider Mangelware) und zweitens weil die Kinder immer erstmal auf die Barrikaden steigen, wenn das Wort ‚Spaziergang‘ fällt.

Gestern aber haben Mama und Papa sich durchgesetzt, die Zeit eingeplant und wir sind spazieren gegangen. Und ich hab dabei was gelernt: ein Spaziergang als Familie kann einem die Augen dafür öffnen, wie unser Miteinander funktioniert. Wer ist immer vorne dran, wem ist schnell langweilig, wer bleibt ständig stehen. Wer kritisiert am meisten, wer hat die Liebe für’s Detail, wer ist am schnellsten erschöpft.
Mir ist z.B aufgefallen, dass ich unsere mittlere Tochter wahnsinnig viel ermahne und zurechtweise. Das muss ihr tierisch auf die Nerven gehen. Ich hab mir nun vorgenommen, sie in Zukunft mehr zu loben, mein Augenmerk auf das zu richten, was sie gut macht.
Unsere Große war uns während des Spaziergangs ständig weit voraus. Teilweise hab ich sie gar nicht mehr gesehen. Und so ist sie auch im Alltag: sie entwischt gerne unserer Nähe, zieht sich zurück und will sich alleine durchwurschteln.  Aber sie hat einen enormen Wissensdurst und ist bei sämtlichen Lerntafeln im Wald stehengeblieben. Mich interessieren diese Tafeln nicht wirklich und ich bin gestern daran vorbeigelaufen. Im Nachhinein denke ich: wäre ich doch nur auch stehengeblieben und hätte diese Zeit mir ihr ausgeschöpft. Im Alltag würde das konkret für mich bedeuten: hör dir die Vorträge über sämtliche Dinosaurier mit Interesse an! Hol deine Tochter dort ab, wo sie steht! Nimm die Momente war, wo ihre Welt mit deiner zusammentrifft.
Na ja, und unsere Kleine saß mal auf dem Dreirad, mal lief sie neben uns her, mal spielte sie mit uns ‚Engelein, flieg!‘ Sie hängt noch viel an uns dran – und das ist wunderschön! Ich genieße das. Vor allem, weil ich mittlerweile gelernt habe, dass die Zeit, wo sie dir auf Schritt und Tritt folgen, so schnell vorbei geht.
Mir ist während des Spaziergangs auch aufgefallen, dass mein Mann und ich es schon fast perfektioniert haben, ein tiefgehendes Gespräch zu führen, selbst wenn wir 20 Mal dabei unterbrochen werden. Es ist eigentlich schon witzig, wie sich unsere Spaziergänge im Lauf der Zeit verändert haben. Auf alle Fälle war es ermutigend für mich zu merken: wir können noch kommunizieren! Wir gehen in unseren Gesprächen noch tief und bleiben nicht an der Oberfläche hängen. Das entschädigt für all die vergeblich gestarteten Gespräche zwischen Küchentür und Esstisch…

Der gestrige Spaziergang war für mich also ein klärender Einblick in unsere kleine, chaotische Familienwelt. Ich bin schon gespannt, was ich das nächste Mal lernen werde. Ein nächstes Mal wird es nämlich auf alle Fälle in naher Zukunft geben. Und ich werde ein paar Süßigkeiten als Wegzehrung mitnehmen. Nur für den Fall der Fälle.

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