Auferstehungskraft

Ich versuche mir vorzustellen, wie es damals war: eine wahnsinnige Trauer hatte die Freunde und Nachfolger von Jesus erfasst. Sie hatten so große Hoffnungen gehegt, dass dieser Jesus ihr Messias ist, der das jüdische Volk endlich von Unterdrückung und Leid befreit, sie haben ihm jahrelang zugehört, wie dieser Zimmermann ihnen die heiligen Schriften erklärte – besser als jeder andere Gelehrte -, sie haben ihn beobachtet, wie er tote Menschen wieder lebendig machte, Blinde sehend, die blutende Frau heilte…und jetzt hatten sie dieses schreckliche Bild vom gekreuzigten, blutenden Jesus im Kopf.  Was für eine Niederlage! Was für eine Enttäuschung! Der vermeintliche Heilsbringer…der lang ersehnte Messias, abgeschlachtet, verspottet, verhöhnt…’König der Juden‘. Wie konnten sie sich nur so irren. Ich stelle mir vor, dass die Freunde Jesu sich die Haare rauften, sich die Kleider zerissen, den Kopf verzweifelt hin und her schüttelten, weinten und klagten….denn mit Jesus ist auch ihre Hoffnung gestorben. Sie sperrten sich in ein Haus in Jerusalem ein, die Angst ging herum, dass sie die nächsten sein könnten, die umgebracht werden. Sie sperrten sich ein und jammerten und klagten und waren am Ende.
Doch hat nicht Jesus sie auf diese Zeit des Leidens vorbereitet und auch davon gesprochen, dass er nach drei Tagen wieder auferstehen würde? (Lukas 24,7) Die Pharisäer zumindest erinnerten sich daran und beantragten deshalb bei Pilatus Wachen, die das Grab hüten sollten, dass der Leichnam Jesu nur ja nicht urplötzlich verschwinden würde! (Matthäus 27,63). Die Pharisäer hatten wohl besser zugehört, als die engsten Freunde von Jesus – denn die schienen sich gar nicht mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen, dass Jesus das Grab wieder verlassen könnte.
Ich kenne das Happy End der Ostergeschichte und schüttel den Kopf über so wenig Zuversicht und Vertrauen… aber ich weiß auch, ich verhalte mich nicht anders als die Jünger damals. Die Zusagen, die Jesus mir gibt, zählen oft nicht viel. Ich kann nicht dran glauben, weil die Umstände oft so ganz anders sind. Alles scheint gegen ein Eingreifen Gottes zu sprechen. Ich glaube nur das was ich sehe, was ich erklären kann…dabei ist Glauben doch ‚die Überzeugung, dass das was man nicht sieht, existiert.‘ (Hebräer 11,1). Und als der auferstandene Jesus dem zweifelnden Thomas erscheint, der unbedingt mit eigenen Augen sehen wollte, dass Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist, da sagt Jesus: ‚Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Gesegnet sind die, die mich nicht sehen und dennoch glauben.‘ (Johannes 20,29)

Aber so sind wir Menschen: Wir wagen es nicht unser Leben, unsere Umstände von himmlischer Perspektive aus zu betrachten. Wunder zu erwarten! Nein, wir müssen erst einmal alles rational durchdenken, die menschlichen Möglichkeiten durchgehen und dann vielleicht, eventuell uns auf etwas Übernatürliches einzulassen…
Es ist erstaunlich, wie viel Geduld Jesus nach seiner Auferstehung mit seinen allerengsten Freunden haben muss. Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, die sich stundenlang mit ihm unterhalten und ihn erst erkennen, als er das Brot bricht. Der zweifelnde Thomas. Die Jünger in Jerusalem, die Angst haben, Jesus sei ein Geist. Jesus hat die Messlatte sowieso schon nicht hoch gesetzt…Glaube so klein wie ein Senfkorn, kann schon Berge versetzen. (Lukas 17,6) Aber Senfkorngröße muss schon drin sein: ganz ohne Glauben geht es nun mal nicht. Jesus lässt sich nicht erklären, die Auferstehung lässt sich nicht erklären. Ostern ist für Historiker und Wissenschaftler ein Rätsel in der Weltgeschichte. Niemals zuvor und niemals seitdem ist so etwas nochmal geschehen. Einmalig, einzigartig, unerklärlich. Von unserer Perspektive, mit dem Neuen Testament im Bücherregal, mag es uns befremdlich erscheinen, dass die Jünger so blind waren. Dass sie Jesus nicht mehr Vertrauen entgegengebracht haben. Dass sie klagten, als wäre alle Hoffnung mit Jesus gestorben. Aber verhalten wir uns heute anders? Was für eine Bedeutung hat Ostern, die Auferstehung, heute in meinem Leben? Verändert mich die Tatsache, dass Jesus sein Wort gehalten hat und nicht bei den Toten geblieben ist? Was bedeutet es für mich in meinem Alltag, dass mein Gott lebt?
Ich klage und weine oft genauso wie die Jünger, die alle Hoffnung verloren haben. Ich trauere, wie die, die keine Hoffnung kennen. Ich verhalte mich so, als wäre Jesus im Grab geblieben. Ich vergesse, dass an Ostern eine Kraft freigesetzt wurde, die heute in mir  – als Nachfolgerin Jesu – lebt und wirkt:
‚Ich bete, dass ihr erkennen könnt, wie übermächtig groß seine Kraft ist, mit der er in uns, die wir an ihn glauben, wirkt. Es ist dieselbe gewaltige Kraft, d
ie auch Christus von den Toten auferweckt und ihm den Ehrenplatz an Gottes rechter Seite im Himmel gegeben  hat.‘ (Epheser 1,19)
Das muss man sich mal bewusst machen: haargenau dieselbe Kraft, die Jesus aus dem Grab holte, ist am Wirken in mir. Das ist eine unvergleichlich gewaltige Kraft und wenn ich nur an der Oberfläche dieser Kraft kratzen würde, könnte ich in Dimensionen des Glaubens eintauchen, die man gar nicht in Worte fassen kann. Unsere Nachfolge von Jesus ist mehr, als eine Ostereiersuche.  Du kannst Jesus in der Bibel studieren, jeden Sonntag in die Kirche gehen, deinen Kindern das Abendgebet beibringen…wenn die Auferstehungskraft nicht in dir wirkt, wenn du es verpasst, im Glauben zu wachsen, dann verpasst du das Entscheidende. Das, was dich und dein Leben wirklich verändern kann.
Ich habe an diesem Osterfest eine tiefe Sehnsucht nach mehr von dieser Auferstehungskraft in mir. Ich will in tiefere Dimensionen des Glaubens eintauchen. Ich will mehr von Jesus, ich will mehr in meinem Leben, das ich vom menschlichen Standpunkt aus nicht erklären kann. Ich will Zeichen und Wunder erleben! Ich will voller Vertrauen, wie ein Kind, aus dem Vollen schöpfen. Ich will mich fallen lassen in die liebenden Vaterhände, loslassen, empfangen.  Ich will Jesus begegnen, dem Gekreuzigten, dem Auferstandenen…ich will mich von dieser gewaltigen Auferstehungskraft verändern lassen, mich hinziehen lassen zu ihm…
Ostern soll  nicht nur ein Feiertag in meinem Jahreskalender sein, sondern ein Meilenstein in meinem Glaubensleben.

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