Der Mauerfall

Ich kann mich noch gut an einen besonderen Spaziergang erinnern: es war 1989, ich war 11 und die ‚Mauer‘ stand noch. Meine Familie und ich gingen an der grauen Wand entlang, auf der anderen Seite DDR-Wachen, die uns immer wieder durch ihre Ferngläser beobachteten. Ich kann mich auch noch gut an das beklemmende Gefühl erinnern, das ich damals hatte. Meine Eltern erzählen mir heute immer wieder, dass ich ihnen während jenem Spaziergang voller Überzeugung gesagt habe: ‚Diese Mauer bleibt nicht mehr lange stehen.‘ Sie lächelten mild über so viel kindliche Naivität. Ein paar Wochen später fiel die Mauer.

Wahrscheinlich habe ich das gesagt, weil man als Kind optimistischer ist und Negatives sich leicht wegdenken kann. Vielleicht auch, weil es Kindern leicht fällt an Wunder zu glauben. Oder weil Mauern in Kinderköpfe noch nicht hineinpassen.

Als Deutschland letzte Woche den ‚Tag der deutschen Einheit‘ feierte, habe ich an die Mauern in meinem Herzen denken müssen. Die Mauer der Bitterkeit. Die Mauer der Angst. Die Mauer der Enttäuschung. Wie mich diese Mauern einengen, in mir ein beklemmendes Gefühl auslösen, mich von anderen Menschen und Gott trennen. Diese Mauern in mir sind gut gesichert, über die Jahre hinweg immer mehr ausgebaut – es erscheint mir unmöglich, dass sie jemals fallen könnten.

Ich wünsche mir den kindlichen Glauben, dass diese Mauern in mir nicht mehr lange stehen bleiben können. Weil Jesus die Steine zum Einfallen bringen will. Auch wenn ich mir mit meinem logischen, erwachsenen Denken all die ‚guten Gründe‘ aufzähle, warum diese Mauern errichtet wurden, das ich die Mauern brauche, um sicher zu sein, will ich doch wie ein Kind erwarten, dass diese Mauern von Jesus eingerissen werden können. Und dass das für mich dann Freiheit bedeutet.

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