Ein Geburtsbericht

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Das könnte das perfekte Motto für die Geburt von Timothy gewesen sein. Aber der Reihe nach:

Vorletzten Sonntag im Gottesdienst hatte ich stark den Eindruck, dass Gott mir Frieden zusagen will. Ein Hintergrundbild für ein Lobpreislied zeigte eine Männerhand, die zärtlich ein neugeborenes Baby hielt. Als ich aus dem Fenster sah, fiel mir auf, dass ein Container   im Garten mit großen Buchstaben beschrieben war: ‘Fürchte dich nicht. Ich bin da.’ Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Gott mich auf eine Situation vorbereiten möchte, wo ich dringend auf ihn angewiesen sein würde.

Noch mit dickem Babybauch - ein paar Tage vor der Geburt.
Noch mit dickem Babybauch – ein paar Tage vor der Geburt.

Am darauffolgenden Mittwoch hatte ich plötzlich das Gefühl, dass meine Fruchtblase geplatzt ist. Es kam kein Wasserschall, aber ein stetiges Tröpfeln ließ mich stutzig werden. Ich informierte meine Hebamme und freute mich, dass Gott anscheinend mein Gebet, nach einem deutlichen Zeichen für den Geburtsbeginn erhört hatte. Die vielen Vorwehen haben mich nämlich ziemlich unsicher gemacht, wie ich den wissen soll, wann es tatsächlich losgeht.

Die Hebamme kam dann am Abend vorbei und meinte, dass die Geburt bald losgehen wird. Mein Mann und ich haben dann noch in Ruhe ein Glas Rotwein genossen und uns voller Vorfreude schlafen gelegt.

Aber es wollten einfach keine regelmäßigen Wehen einsetzen. Am nächsten Morgen kam nochmal die Hebamme vorbei und meinte, wir sollen definitv abklären lassen, ob das nun Fruchtwasser war oder nicht. Sie schickte mich zu einem Arzt, mit dem sie zusammenarbeitet und um 14 Uhr am 16.5. bekamen mir einen Termin. Unsere zwei großen Töchter durften bei einer befreundeten Nachbarsfamilie bleiben und unsere jüngste nahmen wir mit.

Ich spürte immer mehr den Druck, dass doch endlich Wehen einsetzen müssen – das letzte, was ich wollte war ins Krankenhaus zu müssen und eine Geburtseinleitung zu bekommen. In der Frauenarztpraxis wurde mir erstmal gesagt, dass man nur in einer Klinik mit großer Sicherheit feststellen kann, ob ich Fruchtwasser verliere oder nicht. Der Test, den man dafür benötigt, ist zu teuer, als dass man ihn in einer normalen Praxis verwenden kann. Es wurde aber ein Ultraschall gemacht und dabei stellte die Ärztin fest, dass ich viel zu viel Fruchtwasser hatte, das Fruchtwasser flockig war und die Plazenta schon arg verkalkt. Ich hätte heulen können, als sie meinte, wäre ich ihre Patientin, würde sie mich sofort in eine Klinik zur Geburtseinleitung einweisen.

Nach dem  verstörenden Arztbesuch rief ich meine Hebamme an, die mir wiederum genau das Gegenteil sagte und meinte, ich müsse auf keinen Fall in eine Klinik. Zuviel Fruchtwasser ist nichts ungewöhnliches, das Flockige wird sehr wahrscheinlich Käseschmiere sein und eine verkalkte Plazenta ist am Ende der Schwangerschaft normal.

Ich war mittlerweile ziemlich durch den Wind. Mein Mann und ich beschlossen, eine andere Ärztin, die ich von vorhergehenden Untersuchungen schon kannte, anzurufen und um eine zweite Meinung zu bitten. Wir bekamen den letzten freien Termin und fuhren direkt zu dieser Praxis. Wieder wurde ich untersucht und die Ärztin kam zur derselben Einschätzung wie ihre Kollegin. Ich solle bitte sofort in die Klinik fahren, den Fruchtwassertest machen und mich auf eine Geburtseinleitung einstellen

Obwohl ich die ganze Zeit den Tränen nahe war, fühlte ich mich doch geborgen und hatte einen unerklärlichen Frieden. Ich musste immer wieder an die große, starke Hand denken, die das kleine Baby sicher hielt.

Als wir dann losfuhren in Richtung Klinik, setzten mit einem Mal und mit einer großen Wucht die Wehen ein. Ich dachte noch, ich krieg das Kind im Auto. Mein Mann und ich haben dann schnell entschieden nach Hause zu fahren, weil man mich vom Krankenhaus  nicht mehr nach Hause hätte gehen lassen. Zuhause lieferten wir unsere jüngste Tochter noch schnell bei unseren Nachbarn ab und ich stellte mich darauf ein, unseren Sohn bald in die Arme zu schließen. Schließlich habe ich alle meine Kinder schnell auf die Welt gebracht. Die Hebamme kam und packte ihre Taschen aus, alles wurde auf die Geburt vorbereitet.

Völlig happy, dass es mit der Hausgeburt nun doch noch klappen sollte!
Völlig happy, dass es mit der Hausgeburt nun doch noch klappen sollte!

Die Wehen kamen schön regelmäßig und waren zum Aushalten, im Hintergrund lief eines meiner Lieblingslobpreislieder – so hatte ich mir meine Hausgeburt vorgestellt. Die Hebamme untersuchte mich nach ca. 1 Stunde und meinte, der Muttermund ist komplett geöffnet, ich kann nun dem Drang zu Pressen nachgeben. Und da merkte ich, dass irgendwas nicht stimmte. Irgendwas blockierte. Die Hebamme untersuchte nochmal und meinte, der Kopf des Babys liege noch nicht richtig im Becken. Die nächste Stunde verbrachte ich mal auf der einen Seite liegend, mal auf der anderen Seite – in der Hoffnung, dass das Baby sich ordentlich ins Becken dreht. Das kam mir alles so komisch vor – die anderen Kinder hatte ich doch im nullkommanichts in den Armen, sobald der Muttermund geöffnet war. Schließlich bat ich die Hebamme nochmal zu untersuchen. Als sie mich gründlich und lange abgetastet hat, meinte sie nur: ‚Das verstehe ich jetzt nicht.‘ Offensichtlich war mein Muttermund nur 2 cm offen, die Lage des Babys konnte sie gar nicht feststellen und sie wollte mit uns sofort in die Klinik aufbrechen und einen Ultraschall machen lassen. Plötzlich waren bei mir vor lauter Schreck die Wehen weg, ich brach in Tränen aus und ahnte Schlimmes. Weil die Hebamme auch irgendwas von PDA sagte, dachte ich, das könnte ein Kaiserschnitt werden und war völlig verwirrt. Im Nachhinein erfuhr ich, dass ich tatsächlich in der Klinik mit einem möglichen Kaiserschnitt angemeldet wurde.

Wir packten schnell das Nötigste. Obwohl mir im Voraus bewusst war, dass so ein Notfall eintreten kann, hab ich im Traum nicht daran gedacht, dass mir mit meinen Vorzeigeburten so etwas passieren könnte und ich zu den paar Prozent abgebrochener Hausgeburten zählen würde.

Im Krankenhaus angekommen, spielte das CTG gleich verrückt und die ernste Miene der Ärztin beruhigte mich nicht wirklich. Der Ultraschall zeigte das Problem: das viele Fruchtwasser machte es unserem Baby möglich nach jeder Wehe vom Muttermund wieder wegzuschwimmen – so konnte also nicht genügend Druck aufgebaut werden. Obwohl die sogenannte Vorblase (unterhalb des Köpfchens) daheim schon geplatzt war, war oberhalb noch sehr viel Wasser vorhanden. Die Hebamme im Krankenhaus versuchte dann an den oberen Teil der Blase heranzukommen, erwischte sie und ich konnte es nicht glauben, was für Wassermassen aus mir herauskamen. Hebamme und Ärztin sind einfach nur noch zur Seite gesprungen und das Fruchtwasser tropfte auf den Boden. Die Ärztin hat dann das Kind nochmal etwas zur Seite geschoben und es kam nochmal soviel Wasser. Es war unglaublich.

Das war dann der Startschuss für die Wehen. Obwohl ich mich im Vorfeld der Geburt auf die sogenannte ’selbstbestimmte Geburt‘ vorbereitet habe, war ich doch von der Wucht und der Intensität  der Wehen völlig überrollt. Nichts mit ‚lustvoller Geburt‘, nichts mit ‚in sich hineinspüren‘, von wegen ‚verschiedene Positionen einnehmen‘. Ich war völlig mitgerissen und habe einfach nur noch gebetet, dass ich das irgendwie schaffe. Es ging dann alles ganz schnell und innerhalb einer guten Stunde war unser Timothy geboren. Um es am Ende nochmal spannend zu machen, blieb er mit der Schulter hängen und ich machte das erste Mal die Erfahrung, dass es schwieriger war den Körper herauszuschieben, als das Köpfchen.

Aber dann lag er auf meinem Bauch und ich war so unendlich erleichtert. Er lag da ganz ruhig und ich spürte einen tiefen Frieden. Obwohl die ganze Geburt so anders verlief, als ich es mir erträumt hatte, weiß ich doch, dass mein Baby und ich von einer starken, väterlichen Hand gehalten wurden. Im Nachhinein bin ich auch nicht enttäuscht oder sehe es als mein Versagen an, dass es mit der Hausgeburt nicht geklappt hat…das empfinde ich als großen Segen.

In einer Glückwunschkarte zu Timothys Geburt steht dieser Vers:

‚Wir wollen den HERRN preisen für seine Gnade und für seine Wunder, die er uns erleben lässt.‘
Psalm 107, 8

Es ist mal wieder einer dieser Lektionen fürs Leben: Gott führt sicher auf unbekannten Wegen. Und es liegt nicht an uns, die Kontrolle an uns zu reißen und die Route zu bestimmen. Wir folgen einfach nach, lassen uns führen – und am Ende preisen wir ihn. Weil er alles sehr gut macht.

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