Opfer

Das Problem mit der Unzufriedenheit

Mein Herz ist ein ruheloses Ding. Immer auf der Suche nach mehr, nach anderem, nach besserem, nach neuem. Nie zufrieden mit dem Hier und Jetzt, immer schielend auf die grünen Wiesen jenseits des Zaunes. Mein Herz ist blind für die Schönheiten vor meiner Haustür, weitsichtig träumt es sich in die Zukunft oder Vergangenheit, mein Herz tut sich  schwer das dankbar anzunehmen, was mir nahe ist. Wie ein rastloser Vogel, stösst es sich an den Stäben des Käfigs. Immer auf der Suche nach einer Tür, einem Ausweg.

Wer so ein Herz hat, kämpft oft mit Bitterkeit, mit Unzufriedenheit, mit Frustration. Er verliert den Blick auf den Segen, den Gott so großzügig gibt. Er verliert den Blick auf Jesus, der allein Erfüllung bringen kann. Es ist gefährlich so ein Herz zu haben. Anstatt zu einem glücklichen Leben zu verhelfen, vergiftet ein undankbares Herz alles.

Vor knapp zwei Wochen habe ich wieder mit meinem Herzen gekämpft. Ich fühlte mich so, als hätte Gott mich vergessen. Als hätte er meine Träume und Wünsche außer Acht gelassen. Ich dachte, dass andere bevorzugt werden, andere ihre Berufung ausleben dürfen, nur ich nicht. Ich fühlte mich – mal wieder – wie auf dem Abstellgleis. Und mitten in meine Unzufriedenheit hinein, für die ich mich schäme, hörte ich in eine Predigt. Über Abraham und wie er bereit war, sein Liebstes, Gottes Geschenk, seinen Sohn zu opfern. Wie wir bereit sein sollen, Jesus über alles zu stellen, was uns lieb und teuer ist. Wie wichtig es ist, unsere Ambitionen hinten an zu stellen, unser undankbares Herz dem zu geben, der es trotz widriger Umstände und Leid und Krankheit und unerfüllter Wünsche mit Dankbarkeit füllen kann.

Für mich ist das eine riesengroße und – ich ahne es –  lebenslange Herausforderung. Wenn mich der Drang überkommt auf andere zu sehen, was ‚die alles haben‘, dann will ich meinen Kopf senken und mich ‚demütig unter die gewaltige Hand Gottes beugen‘ (1. Petrus 5,6). Denn er sorgt sich um das, was mich betrifft.

‚Wen habe ich im Himmel außer dir? Du bist mir wichtiger als alles andere auf der ErdeBin ich auch krank und völlig geschwächt, bleibt Gott der Trost meines Herzens, er gehört mir für immer und ewig.‘

Psalm 73, 25-26

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Die unsichtbare Mutter

Es machte plötzlich alles Sinn: die leeren Blicke, die ausbleibende Reaktion, die Art und Weise, wie eines meiner Kinder in das Zimmer kommt, während ich telefoniere und mich fragt, ob ich es zum einkaufen fahren kann. Ich denke bei mir: ‚Kannst du nicht sehen, dass ich gerade telefoniere?‘

Offensichtlich nicht; keiner sieht, dass ich gerade am Telefon bin oder backe oder den Boden wische, selbst wenn ich kopfüber in einer Ecke stehen würde, würde das keiner bemerken. Ich bin unsichtbar. Die unsichtbare Mutter. Manchmal bestehe ich nur aus zwei Händen und nichts weiter. Kannst du das reparieren? Kannst du mir die Schuhe binden? Kannst du das aufmachen?

Manchmal bestehe ich nicht aus Händen, dann bin ich noch nicht einmal ein menschliches Wesen. Ich bin eine Uhr, die man nach der Zeit fragt, eine Fernbedienung, die weiß, wo der Kinderkanal zu finden ist, ich ein bin Auto, das man um punkt halb 6 zum Abholen bestellen kann.

Manchmal bin ich eine Kristallkugel: ‚Wo ist mein zweiter Socken?‘, ‚Wo ist mein Handy?‘, ‚Was gibt es zum Abendessen?‘

Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Hände einmal Bücher hielten und die Augen Geschichte, Musik und Literatur studierten – aber jetzt sind sie verschwunden, aufgelöst im Pausenbrotaufstrich, auf Nimmerwiedersehen.

Eines abends war ich mit einer Gruppe von Freunden zusammen. Wir haben gemeinsam gegessen und die Rückkehr einer Freundin aus England gefeiert. Sie war gerade angekommen und konnte gar nicht aufhören über diese fantastische Reise zu reden und das tolle Hotel. Ich saß da und schaute verstohlen meine Freundinnen an, die alle so gut aussahen. Es fiel mir schwer, mich nicht mit ihnen zu vergleichen und Selbstmitleid kam in mir auf. Ich fühlte mich ziemlich jämmerlich, als ich ein wunderschön verpacktes Geschenk bekam und meine Freundin sagte: ‚Ich hab das für dich mitgebracht.‘ Es war ein Buch über Kathedralen in Europa. Ich war mich nicht ganz sicher, warum sie ausgerechnet dieses Buch ausgesucht hatte, bis ich ihre Widmung las: ‚Mit großer Bewunderung für das Großartige, das du baust, auch wenn keiner hinsieht.‘

In den kommenden Tagen habe ich das Buch gelesen – nein, regelrecht verschlungen. Und ich habe für mich vier lebensverändernde Wahrheiten entdeckt, die meine tagtäglichen Aufgaben neu definieren:

1.) Keiner weiß, wer genau diese großartigen Kathedralen gebaut hat – es existiert kein Namensverzeichnis.

2.) Diese Baumeister gaben ihr Leben für ein Projekt, das sie nicht zu Ende bringen konnten.

3.) Sie brachten große Opfer und erwarteten keine Anerkennung.

4.) Die Leidenschaft für den Bau wurde angetrieben von ihrem Glauben, dass Gott alles sieht.

Eine Legende, die in diesem Buch aufgeschrieben ist, erzählt von einem Mann, der eine Kathedrale besuchte, als sie noch gebaut wurde. Er sah einen Arbeiter, der einen kleinen Vogel aus einem Holzbalken herausschnitzte. Der Mann war überrascht und fragte den Arbeiter: ‚Warum verschwendest du so viel Zeit einen so kleinen Vogel aus dem Holz zu schnitzen, wenn doch das Dach darauf gebaut wird und keiner ihn je sehen wird?‘ Der Mann erwiderte: ‚Aber Gott sieht ihn.‘

Ich schlug das Buch zu und plötzlich machte alles Sinn. Es war fast so, als würde Gott mir zuflüstern: ‚Ich sehe dich. Ich sehe die Opfer, die du jeden Tag bringst, auch wenn um dich herum es keiner wahrnimmt. Keine gute Tat, kein Stück Stoff, mit dem du genäht hast, kein selbstgebackener Kuchen, kein Elternabend, kein in letzter Minute erledigtes Projekt ist zu klein, dass ich es nicht bemerke und mich darüber freue. Du baust eine prächtige Kathedrale, aber du kannst noch nicht sehen, wie sie am Ende aussehen wird.‘

Es hilft mir, meinen Alltag von einer anderen Perspektive zu betrachten, wenn ich mich selber wie einen Baumeister sehe. Einer jener Leute, die treu ihre Arbeit beginnen und doch wissen, sie können es nicht zu Ende bringen, die an etwas arbeiten, das ihren Namen nicht tragen wird. Der Autor des Buches über die Kathedralen in Europa ging so weit zu sagen, dass in unserer heutigen Zeit keine derartigen Bauten mehr errichtet werden können – weil es an Leuten fehlt, die bereit wären soviel zu opfern.

Und wenn ich wirklich darüber nachdenke, dann möchte ich nicht, dass meine Kinder ihren Freunden erzählen, wie hart ihre Mutter zum Beispiel an Weihnachten arbeitet. Dass ich um 4 Uhr früh aufstehe und anfange zu backen und zu kochen und das Tischtuch zu bügeln. Dann würde ich mir selbst ein Monument bauen wollen. Ich möchte einfach, dass meine Kinder gerne nach Hause kommen und dass sie ihre Freunde mitbringen und ihnen sagen können: ‚Du wirst dich bei uns wohl fühlen.‘

Wir Mütter bauen großartige Kathedralen. Wenn wir es richtig machen, bleiben wir selbst im Hintergrund. Und eines Tages besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass die Welt über das staunt, was wir gebaut haben und über die Schönheit, die der Welt zuteil wurde, durch die Opferbereitschaft von unsichtbaren Müttern. (von Jenny Williams)

 

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