Die Spinne im Hausflur

Ich ekel‘ mich vor Spinnen. Wenn ich eine Spinne sehe, bekomme ich feuchte Hände, Gänsehaut und einen Kloß im Hals. Der erste Instinkt, der mich überkommt, ist ‚wegrennen‘ und ‚laut um Hilfe schreien‘,  was ich in aller Regel auch tue.

Letzte Woche war ich für eine Nacht alleine Zuhause. Mein Mann war geschäftlich unterwegs. Ich war im ersten Stock und hörte unten im Wohnzimmer das Telefon klingeln. Erfreut sprang ich vom Schreibtisch auf, denn ich war mir sicher, dass mein Mann mich anruft. Ich rannte in den Flur, Richtung Treppe, als ich schreckerstarrt stehen blieb. Eine große Spinne saß mitten im Flur und versperrt mir den Weg. Ich reagierte, wie sonst auch immer: mit einem Schrei und Wegrennen – in diesem Fall zurück zum Schreibtisch. Das Telefon klingelte weiter, bis irgendwann der AB ranging und ich meinen Mann eine Nachricht hinterlassen hörte. Mein Herz schlug schnell und ich suchte fieberhaft nach einer Lösung. Denn das zweite große Problem, das ich mit Spinnen habe, ist: ich kann sie nicht beseitigen, sprich Erschlagen. Zum Erschlagen müsste ich viel zu nahe an sie ran und allein der Gedanke, das irgendein Objekt, das ich in Händen halte, an die Spinne mit genügend Schmackes ran muss, um sie zu erledigen, das ist zu viel für meine spinnenphobiegeschwächten Nerven. Aber was blieb mir nun anderes übrig?

Ich schlich mich hoch zu den großen Mädchen ins Zimmer, weil ich wusste, dass da immer eine Fliegenklatsche liegt. Mit der Fliegenklatsche in der Hand ging ich langsam zurück und schaute vorsichtig um die Ecke und …  ja da saß sie, schwarz und eckelhaft, mit diesen komischen, angewinkelten Beinen und dem dicken Körper. Es schüttelte mich. Trotzdem versuchte ich mich zusammen zunehmen. Denn die Spinne saß nicht nur zwischen mir und der Treppe, sondern auch zwischen mir und meiner jüngsten Tochter, die irgendwann in der Nacht mindestens einmal nach mir ruft und spätestens dann muss die Spinne weg sein. Ich zählte bis drei. Und gleich nochmal. Tief durchatmen – JETZT!! Nein, ich trat wieder den Rückzug an. Am Schreibtisch schrieb ich in den Tränen nahe meinem Mann eine Notfallemail. ‚Ich schaff das nicht! Kannst du irgendwie nach Hause kommen? Was soll ich nur tun?‘

Als ich wieder vorsichtig zurück in den Flur schaute, war die Spinne weg. Das war zwar im ersten Moment ein schöner Anblick, aber dann wurde mir klar: jetzt ist die Spinne im Bad (und ich musste noch Zähne putzen), oder schlimmer noch: in meinem Schlafzimmer! Unsichtbar erschien mir die Spinne noch größer!  Ich ging wie ein Dieb auf Zehenspitzen ins Badezimmer, die Fliegenklatsche vor mir herhaltend wie ein Schwert. Die Spinne hatte sich in Luft aufgelöst und doch war ich mir ihrer Gegenwart mehr als bewusst. Ich putzte mir schnell die Zähne und legte mich ins Bett. Es wurde keine geruhsame Nacht.

Ich bin mir sicher, dass alle Menschen in ihrem Leben Spinnen haben, um die sie einen großen Bogen machen und die ihnen soviel Angst einjagen, dass sie sich bisweilen ein wenig dämlich benehmen. Wir alle haben Probleme, von denen wir uns wünschen, sie würden nicht existieren. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, sich vor etwas zu drücken und dann das Gefühl zu haben, feige davongelaufen zu sein. EIn nicht gelöstes Problem, das immer nur ignoriert oder vor sich hergeschoben wird, wird größer und größer.

Was habe ich von der Spinne im Flur gelernt? Zum einen werde ich mir auf alle Fälle Insektenspray kaufen. Eins, dass man von 5 m Entfernung sprühen kann. Und: ich muss mich meinen Problemen stellen und darf nicht davonlaufen, oder – wie in meinem Falle  – das Problem davonlaufen lassen. Ich muss den Mut haben, mich der Spinne in meinem Leben zu stellen und sie, wenn nötig, zu beseitigen.

P.S. Mein Mann kam am nächsten Tag nach Hause und hat den Flur und das Badezimmer akribisch nach der Spinne abgesucht. Nichts. Heute als ich das Bad aufräumen wollte, lief sie mir doch tatsächlich fast über die Füße. Wieder habe ich geschrieen und bin weggelaufen. Gott sei Dank kam meine Haushaltshilfe eine Stunde später und hat die Spinne erledigt. Endlich. Da kann man gleich noch etwas lernen: es ist nie verkehrt sich bei der Lösung eines Problems helfen zu lassen.

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