Vordrängeln erlaubt?

Vor ein paar Tagen waren wir verrückt genug in der Hauptsaison den Freizeitpark ‚Legoland‘ zu besuchen.

Die Menschenschlangen an den Fahrgeschäften waren wahnsinnig lange und man musste mitunter bis zu einer Stunde anstehen. Nicht so die Inhaber des sogenannten ‚Express-Passes‘. Die durften sich an einer seperaten, wesentlich kürzeren Schlange anstellen und wurden immer zuerst zum Fahrgeschäft durch gelassen. Die normal Sterblichen mussten, gedrängt wie die Sardinen, zusehen, wie ein paar Privilegierte sich in aller Ruhe die schönsten Sitzplätze raussuchten, erst dann wurde der ‚Rest‘ eingelassen. Mich hat das gestört. Jedesmal hörte man verblüffte Kinderstimmen: ‚Warum dürfen die schon rein???‘ Ja, wie soll man das nach einer Stunde Wartezeit erklären? Wo man doch seinem Sprößling beim Spielplatz immer mahnend hinterher ruft: ‚Nicht vordrängeln! Bitte hinten anstellen!‘?

Mit unserer Lilian stand ich an, um in einem kleinen Zug mitzufahren. Wir waren die ersten in der Schlange und Lilian freute sich, ganz vorne sitzen zu können. Nach einer Weile drängelte sich von hinten ein Mädchen zu uns nach vorne, gefolgt von ihrem Vater. Weil hauptsächlich kleine Kinder mit ihren Eltern anstanden, war es nicht so gedrängt und schließlich stand dieses Mädchen genau neben uns. Ich ahnte schon, was gleich passieren würde… kaum wurde das Tor geöffnet, drängte sich das Mädchen an Lilian vorbei in Richtung erster Waggon. Lilian kapierte, dass sie plötzlich Konkurrenz bekommen hatte und begann ebenfalls zu rennen. Sie war die Größere und schneller beim Waggon. Als sie einsteigen wollte, versuchte das Mädchen sich an Lilian vorbei in den Waggon zu drängen. Ich konnte es kaum glauben und machte dann das Angebot, dass sich doch beide Mädchen nebeneinander setzen können. Da aber der Sitzplatz sehr eng war, gab Lilian nach und ließ die kleine Göre (entschuldigung…) alleine im ersten Waggon sitzen und saß dann, den Tränen nahe, im Waggon Nr. 2.

Das war der Geist des Vordrängelns im Kleinen. Bei den Großen kann man sich ganz offiziell den Express-Pass kaufen. Es ist schade, dass die Ellenbogenmentalität unserer Gesellschaft auch nicht vor einem Kinderfreizeitpark Halt macht.

Nach der missglückten Zugfahrt nahm ich Lilian zur Seite und sagte ihr, wie leid es mir doch tut und wie gemein das war. Ich fragte sie, ob sie sich an das Lied vom Kindergottesdienst erinnern kann. ‚In Gottes Königsreich ist alles umgekehrt!‘. In Gottes Königreich werden die Ersten die Letzten sein. In Gottes Königreich ist es okay sich hinten anzustellen. Bei Gott gibt es keinen Express-Pass und Vordrängler haben keine Chance.

Lilian meinte: ‚Das weiß ich doch, Mama.‘ Und keine 2 Minuten später tollte sie fröhlich auf dem Spielplatz herum. Gott sei Dank.

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