Mein nicht mehr schwangerer Körper

Die letzten Tage hab ich mir so einiges anhören müssen: In welchem Monat ich denn sei (meine Antwort: ‚Ich habe schon entbunden!‘ Die Reaktion: ‚Ach, ich dachte 5. Monat oder so!), ein Kindergartenkind bestaunt unseren Tim und mustert mich danach und meint: ‚Dein Bauch ist aber immer noch dick!‘ und meine Kinder streicheln oft über denselben und kichern und erinnern mich ebenfalls treu an meine übrig gebliebenen Pfunde. Es ist nicht so einfach nach der Schwangerschaft: die Hormone spielen verrückt, man ist müde, erschöpft, muss irgendwie den Alltag mit Baby managen –  und dann sind da die übrig gebliebenen Kilos. Es trifft mich jedesmal wieder hart: ich bin nicht mehr schwanger, schaue aber noch so aus. Keine einzige Jeans passt und die Shirts bleiben an der Hüfte ‚hängen‘.  Ich bin noch nicht wieder in meinem Körper angekommen und so ganz wie ‚vorher‘ wird er auch nicht wieder werden. Da sind die Dehnungsstreifen, die nie wieder komplett weggehen und das weiche, gedehnte Gewebe. Mein Körper wird immer Zeugnis davon geben, dass vier Kinder in mir herangewachsen sind. Die Frage ist: trage ich diese ‚Narben‘ mit Stolz oder werde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, mehr oder weniger erfolgreich gegen die Überbleibsel der Schwangerschaften zu kämpfen?

Neulich hab ich im Fernsehen gesehen, dass prominente, schwangere Frauen ihr Kind gerne mal vier Wochen vor dem Entbindungstermin per Kaiserschnitt auf die Welt holen lassen und im OP Saal der Schönheitschirug nach der Geburt den Bauch gleich wieder schön strafft. Und diese Frauen laufen dann ein paar Wochen später im hautengen Kleid über irgendeinen roten Teppich und säuseln etwas von ‚Disziplin‘ und ‚guten Genen‘.  Diese Frauen handeln ohne Frage egoistisch und haben das Wohl ihres Kindes nicht im Blick.

Wir Frauen opfern ein Stück weit unseren Körper, wenn wir ein Kind unter unserem Herzen tragen. Wir opfern unseren flachen Bauch, unsere schlanken Hüften. Wir geben uns hin, dass ein neuer Mensch in uns heranwachsen kann. Wir ertragen Übelkeit, Rückenschmerzen, schlaflose Nächte. Wir ertragen unbeschreibbare Schmerzen, lassen uns auf einen Prozess ein, der uns das Äußerste abverlangt, und schieben mit größter Kraftanstrengung das Baby in diese Welt hinein. Schwangersein ist kein Zuckerschlecken, von der Geburt ganz zu schweigen. Und dann ist das Baby endlich da – und man schaut ein paar Wochen später in den Spiegel und sieht schlaffe Haut, breite Hüften, extra Kilos. Was soll ich tun, dass mir der Zustand meines Körpers nicht zur Last wird?

– Mir hilft zum einen der Gedanke, dass mein Körper eine vergängliche Hülle ist. Natürlich soll ich gut auf ihn acht geben und ihn pflegen – aber er wird altern und irgendwann zu Staub verfallen. Mein Körper ist nicht so wichtig im Hinblick auf die Ewigkeit.

– Mein Körper ist der Tempel des Heiligen Geistes. Mein Körper ist wertvoll, weil Gott mich ausfüllt. Ihm ist es vollkommen egal, wie viele Dehnungsstreifen ich habe oder ob ich extra Kilos mit mir herumschleppe.

– Meine Kinder lieben meine Weichheit. Es ist für sie Geborgenheit pur sich an mich heranzukuscheln. Kuscheln geht besser mit einem weichen Kissen, als mit einem harten Brett.

– Genauso wie mein Körper während der Schwangerschaft die extra Kilos für mein Baby gebraucht hat, braucht er sie auch jetzt: ich ernähre mein Kind durch das Stillen und mein Körper braucht dazu die Fettpölsterchen und Wassereinlagerungen.

– Die Dehnungsstreifen und mein weicher Bauch erzählen eine Geschichte: die Geschichte von vier Schwangerschaften, von vier wunderbaren Kindern, die in mir heranwachsen durften. Was für ein Zeugnis! Was für ein Erbe! Jeder einzelner Streifen wird mich immer an meine Kinder erinnern und wie eng wir einmal verbunden waren. Selbst wenn sie eines Tages ihr zu Hause verlassen und ihre eigenen Wege gehen, werde ich auf meinem Körper, ganz nah an meinem Herzen die Linien tragen, die sie hinterlassen haben.

Diese Gedanken machen es einfacher, mich mit meinem veränderten Körper auszusöhnen. Leicht ist es nicht und ich habe genügend Frustmomente vor dem Spiegel – aber es tut gut sich daran zu erinnern, dass es weitaus wichtigeres gibt als zu viele Kilos und Dehnungsstreifen.

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